Immer wieder Ärger wegen Telegram

Kristina Ohr 1 Feb 2022

Deutsche Regierung und BKA sagen Telegram den Kampf an. Doch welche Mittel haben sie in der Hand?

Mehr als eine halbe Milliarde Menschen nutzt weltweit den Messenger Telegram. Die Mehrheit aller Telegram-User*innen sind ganz normale Leute, die sich harmlose Privatnachrichten schicken. In totalitären Regimes sollen auch viele Oppositionelle Telegram zum freien Meinungsaustausch nutzen. 

Berühmt-berüchtigt ist Telegram allerdings dafür geworden, dass sich dort auch Terroristen, Corona-Leugner, Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker (in Deutschland v.a. die sogenannten Querdenker) wohlfühlen und über den Messenger ihre Botschaften verbreiten. Gegründet wurde Telegram in Russland, hat aber mittlerweile seinen Unternehmenssitz in Dubai. 

Was ist bei Telegram anders als bei WhatsApp, Signal und Co?

Was Telegram so besonders macht, ist die Größe der Gruppenchats. Bei WhatsApp z.B. können Gruppen maximal 256 Mitglieder haben. Bei Telegram hingegen kann man auch Gruppen mit bis zu 200.000 Mitgliedern erstellen und Kanäle mit unbegrenzt vielen Abonnenten. Dies ermöglicht eine sehr große Reichweite und hat keineswegs mehr den Charakter eines privaten Gruppenchats. Kritiker sagen, dass v.a. diese Funktionen Telegram den großen Erfolg eingebracht haben. 

Telegram stand außerdem häufig in der Kritik, weil der Dienst keine Inhaltskontrolle vornimmt bzw. keine Hass- und Hetze bzw. Falschnachrichten, z.B. zur Corona-Pandemie löscht. Auch Aufrufe zu Hetzmärschen, Mordpläne an Politikern und anderen Gewaltaktionen werden nicht zensiert, sondern können veröffentlicht werden und unterliegen keiner Inhaltskontrolle. Damit verstößt Telegram gegen geltendes deutsches Recht. 

“Ein freies Internet, wo jeder seine Meinung frei äußern kann, ist wichtig für unsere demokratische Welt. Aber, die freie Meinungsäußerung endet dort, wo Hassrede auftaucht. Wir brauchen einen respektvollen Umgang miteinander in der Online-Welt; genauso wie in der realen Welt. 

Die hohe Reichweite bei Telegram in einigen Kanälen gepaart mit fehlender Inhaltskontrolle hat sich zu einem gefährlichen Brandbeschleuniger für gesellschaftskritische Themen entwickelt, die derzeit unsere Gesellschaft spalten”, erklärt Jaya Baloo, CISO bei Avast.  

Der Möchte-Gern-Chat, der keiner ist

Eigentlich gibt es ein Gesetz, das verhindern soll, dass illegale bzw. Hass-Inhalte in sozialen Netzwerken einfach stehenbleiben: das Netzwerk-Durchsetzungsgesetz (NetzDG). Es zwingt Dienste, innerhalb kurzer Zeit tätig zu werden, wenn sie von rechtswidrigen Inhalten erfahren, außerdem müssen sie Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen.

Dass Telegram nun überhaupt unter das NetzDG fällt, ist einer Neubewertung aus dem Jahr 2021 zu verdanken. Die riesigen Telegram-Kanäle von mehr als 200.000 Abonnenten haben in der Realität nämlich den Charakter eines sozialen Netzwerks. Gerade Kanäle sind bei Telegram also letztlich vergleichbar mit Twitter- oder Facebook-Kanälen, wo einzelne Personen oder Organisationen ihre Informationen mit einer großen Masse teilen. 

Zuletzt hat Telegram auf zwei Bußgeld-Verfahren des Bundesamtes für Justiz wegen Verstößen gegen das NetzDG schlicht nicht reagiert, berichtete der Bayerische Rundfunk.

Ministerien und BKA gehen gegen Telegram vor

Innenministerin Nancy Faeser will nun, was Telegram angeht, eine europäische Lösung erreichen. Sie droht allerdings auch mit der vollständigen Abschaltung des Dienstes, wenn Telegram nicht bereit ist, zu kooperieren

Laut zahlreichen Medienberichten will auch das BKA mit einer sehr unkonventionellen Methode gegen Telegram vorgehen. Die Behörde will die Strategie fahren, den Messenger mit einer Schwemme von Löschaufforderungen und Datenanfragen beschäftigen, um den Druck zur Kooperation auf den Dienst zu erhöhen.

Bisher sei Telegram an einer "Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden" nicht interessiert, schreibt die Welt.  Dabei könnte eine Kooperation Telegram eher dazu verhelfen, als Dienst bestehen zu bleiben. 

Was empfehlen wir Anwender*innen?

Natürlich ist es jedem freigestellt, Telegram zu nutzen, allerdings sollte man den Dienst und die darin verbreiteten Inhalte vor dem Hintergrund, dass diese nicht kontrolliert werden, mit besonderer Vorsicht betrachten und auf Des- bzw. Falschinformationen sowie illegale Inhalte achten. Wie man Fake News erkennt, haben wir z.B. in diesem Artikel beschrieben.

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