Grenzenlos verbunden oder "Wilder Westen"?

Ondrej Vlcek 23 Sep 2021

Avast CEO Ondrej Vlcek teilt seine Gedanken zum 30-jährigen Jubiläum des World Wide Webs.

Vor 30 Jahren veröffentlichte Tim Berners-Lee die erste Webseite im Internet und löste damit eine Welle der Begeisterung – und eine Debatte – aus, über das Potenzial des weltweit größten vernetzten Informationssystems, das Zugang zu Bildung, Chancen, Entdeckungen und Innovationen öffnete.

Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich meine Karriere im Bereich der Cybersicherheit offiziell begann. In den Anfangsjahren des Internets war ich jung und idealistisch, voller Hoffnung und Verheißung, da die Technologie uns die Welt zum Greifen nahebrachte. Was als Netzwerk für Akademiker begann, entwickelte sich in den folgenden Jahren zum Mainstream. Im Jahr 1995 hatten knapp 40 Millionen Menschen täglich Zugang zum Internet (vor allem Technikbegeisterte wie ich), und obwohl dies heute trivial erscheinen mag, gibt es nur wenige Trends, die mit dem Wachstum des Internets und den Veränderungen, die es in unserer Welt bewirkt hat, mithalten können. 

1995 war auch für mich ein aufregendes Jahr: Microsoft führte Windows 95 ein, und ich war Mitautor des ersten Antivirusprogramms für diese neue Plattform. Und nach der Revolution vom Kommunismus zur Demokratie in der Tschechischen Republik war ich begeistert von der Freiheit in allen Formen, auch in dem, was wir damals als „riesigen“ Cyberspace bezeichneten. Aber es war auch das erste Jahr, in dem wir sahen, was für Einzelpersonen auf dem Spiel stand, die nicht wussten, worauf sie sich einließen, als sie online gingen.

WWW? Oder "Wilder, Wilder Westen"? 

Als die Menschen begannen, die Grenzen dessen auszutesten, was im Internet möglich war, wurde uns klar, dass es nicht das Utopia sein würde, das wir uns vorgestellt hatten. Bei allen Vorteilen und Möglichkeiten, die es bietet, könnten sich böswillige Akteure diese Macht auch zunutze machen, um Schaden in Form von bösartiger Software und Eindringen in Netzwerke anzurichten. 

Aber die ersten auftretenden Viren waren harmlos im Vergleich zu dem, was wir heute sehen. „Scriptkiddies“ und selbsternannte Nerds lernten, Schwachstellen in Netzwerken und PCs zu nutzen, um Schaden anzurichten. Berühmt wurde der Virus ILOVEYOU, der Nachrichten verschickte, in denen Liebeserklärungen gemacht wurden.

Über die Jahre, mit dem stetigen Wachstum des Internets, ist auch die Anzahl der Übeltäter, die dieses ausnutzen wollten, angestiegen. Im Jahr 2000 nutzten bereits über 350 Millionen Menschen täglich das Internet. Berichte über Ausbeutungen im Internet nahmen zu. Das Internet wurde zum "Wilden, Wilden Westen". Spam, Würmer, Banking-Trojaner und spezielle Bedrohungen, die sich Zugang zu Netzwerken und Datenbanken verschaffen sollten, waren allgegenwärtig. Malware wurde immer alltäglicher, und es war so gut wie unmöglich, ohne irgendeine Art von Schutz online zu gehen. Die Welt brauchte eine Lösung, und in diesem Moment wurde eine Industrie erschaffen. Und ich bin froh zu sagen, dass ich dazu beitragen konnte.

 

Das bin ich bei der Vorführung von Avast Antivirus von Alwil im Jahr 2001. Im Jahr 2010 haben wir das Unternehmen in Avast umbenannt. 

Aber erst als der E-Commerce aufblühte und das Online-Banking aufkam, schrillten bei vielen die Alarmglocken – das Internet könnte ein gefährlicher Ort sein. Wir verkauften unser Antivirusprogramm an Computerenthusiasten auf der ganzen Welt, aber wir rannten nur offene Türen ein – oder, in unserem Fall, die der Menschen, die in fast jeder Situation sofort an Sicherheit oder Risiko denken.

Bei Avast haben wir gleichzeitig zwei wichtige Entscheidungen getroffen. Erstens haben wir bekräftigt, dass es unser Grundsatz ist, alle Menschen im Internet zu schützen, was unsere zweite Entscheidung, unser Produkt kostenlos zur Verfügung zu stellen, begründet hat. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass jeder Zugang zum besten Schutz hat, um ein sichereres Online-Erlebnis zu ermöglichen. Zwanzig Jahre später schützen wir Hunderte von Millionen Menschen weltweit und stoppen mehr als eine Milliarde Bedrohungen pro Monat. 

Kein Zugang zum Internet ist keine Option 

Heute befinden wir uns auf der anderen Seite einer Kluft, von der wir einst nur träumen konnten – und eine globale Pandemie hat einen Schlusspunkt hinter die ersten dreißig Jahre des Internets gesetzt. Wir alle haben unseren Großeltern und Eltern geholfen, die digitale Kluft zu überwinden, indem wir sie in die Welt der Live-Internetvideos, der sozialen Medien und Dienstleistungen eingeführt haben. Das Internet war unsere Lebensader, aber für viele auch mit unerwarteten Konsequenzen verbunden: mehr Datenschutzverletzungen und Datenverluste, ausgeklügelte Social-Engineering-Angriffe, weniger Sicherheit und mehr globale Mächte – einschließlich Regierungen und Unternehmensriesen – die es auf unsere Daten und Identitäten abgesehen haben. 

In der heutigen Welt ist kein Internet keine Option mehr. Im Bundesstaat Kalifornien zum Beispiel werden Sie mit einer Geldstrafe belegt, wenn Sie einen Scheck schicken. Sie sind gezwungen, online zu zahlen oder höhere Steuern zu riskieren. In Deutschland müssen Bankkunden eine Gebühr zahlen, wenn sie Geld am Bankschalter überweisen wollen – online ist dies jedoch kostenlos. Kundendienste, viele Zahlungsmöglichkeiten und sogar Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung sind nur online verfügbar. 

Ob es uns gefällt oder nicht, die Gesellschaft hat das Internet zur Pflicht gemacht. Wenn Sie schon vorher eine "gefährdete Person" waren, sind Sie es jetzt noch mehr. 

Menschen bleiben zurück

Es gibt keinen Zweifel, dass wir mit dem Internet ein hohes Maß an Fortschritt erreicht haben. Und für viele hat es sich als befreiende Erfahrung erwiesen, da sie nun Zugang zu Daten und demokratisiert verteilten Informationen haben. Covid-19 hat jedoch auch gezeigt, wie begrenzt der Zugang zu den Daten immer noch ist und dass es auch jetzt noch viel zu viele Hindernisse gibt.

Deshalb engagieren wir uns als Unternehmen auch Jahrzehnte nach den Anfängen des Internets (und von Avast) für den Schutz von Menschen auf der ganzen Welt. Heute bietet das Internet mehr denn je eine Chance für die Schwachen, aber nur, wenn sie online gehen und sich wirklich beteiligen können. Ich bin der Meinung, dass wir nach vorne schauen müssen, um festzustellen, was wir tun können, um ein wirklich integratives Internet für jeden zu schaffen.

Wir können das Potenzial des Internets multiplizieren

Bisher haben wir hier versagt. Zunächst gibt es immer noch viel zu viele Menschen, die nicht alles erleben können, was das Internet zu bieten hat, weil sie nicht über die nötige Hardware verfügen oder an einem Ort mit bregrenztem Zugang leben. Aber auch ohne diese physischen Einschränkungen gibt es ein größeres, subtileres Problem. Die Verbraucher haben heute im Grunde nur zwei Möglichkeiten: ein zensiertes Internet, das ihnen den Zugang zu bestimmten Informationen verwehrt und bei dem sie mit ihrer Privatsphäre bezahlen, oder gar kein Internet. Jede dieser Optionen ist gefährlich.

Als Gesellschaft müssen wir akzeptieren, dass digitale Rechte grundlegende Menschenrechte sind. Wir müssen einen Weg finden, diese Hindernisse zu beseitigen, um echte Chancengleichheit zu erreichen. Eine digitale Kluft mit eingeschränktem Zugang zu Informationen und Möglichkeiten hat weitreichendere Folgen, als wir uns je vorstellen könnten.

Ich bin sehr stolz darauf, dass Avast sich weit über den Status eines "einfachen" kostenlosen Antivirus-Anbieters hinaus entwickelt hat. Durch unsere innovativen Produkte wie AntiTrack und Avast Secure Browser, die es den Menschen ermöglichen, die Privatsphäre ihrer Online-Daten zu verwalten. Aber es hört nicht bei unseren Produkten auf. Wir arbeiten mit Organisationen wie der Koalition gegen Stalkerware zusammen, die Menschen unterstützt, deren Partner die Technologie missbraucht haben, um sie zu kontrollieren und zu missbrauchen. Vor Kurzem haben wir die neue "Avast Foundation" (Avast Stiftung) ins Leben gerufen, deren Ziel es ist, Programme zur Förderung der digitalen Freiheit für alle zu entwickeln, unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten oder ihrem geografischen Standort. 

Als "Hüter des Internets" müssen wir die Zensur abschaffen, den Zugang erweitern und die digitale Freiheit als grundlegendes Menschenrecht verankern. Das sind wir nicht nur uns selbst schuldig, sondern auch den Milliarden von Menschen rund um den Globus, die eines Tages gemeinsam mit uns im Internet unterwegs sein werden. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die nächste Ära des Internets offener und fairer für alle wird.

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