Cybermobbing unter Kindern & Jugendlichen – was tun?

Olivia Förster 8 Feb 2021

Hilfreiche Tipps für Eltern, Lehrkräfte und betroffene Jugendliche von der Medienpädagogin Olivia Förster.

Seit der Coronakrise sind soziale Kontakte nur eingeschränkt möglich. Viele halten den Kontakt zu Freunden, Familie und Kollegen*innen zunehmend über das Internet. Unterricht und Arbeitstreffen finden in digitalen Konferenzräumen statt und der private Austausch erfolgt über Messenger und soziale Online-Netzwerke wie WhatsApp, Snapchat, TikTok, YouTube, Instagram und Onlinespiele.

Es ist menschlich, dass während der Kommunikation Missverständnisse und Konflikte auftreten. Nicht zuletzt die Nachrichtenflut macht uns unaufmerksam für Details und Zwischentöne. Die besondere Herausforderung bei der Onlinekommunikation ist, dass Kommunikationsschieflagen oft nicht schnell als solche erkannt und gelöst werden wie im „Real Life“, denn man sieht den Gesichtsausdruck, die Körpersprache des anderen nicht, ja befindet sich eventuell in ganz unterschiedlichen Rezeptionssituationen.

Die 2020 durchgeführte Studie „Cyberlife III“ des Bündnisses gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse zeigt, dass Konflikte oft dem gezielten Mobben vorausgehen. Die Studie hat außerdem belegt, dass die 13- bis 17-Jährigen stark von Cybermobbing betroffen sind, aber das Problem bereits im Grundschulalter auftaucht. Insgesamt ist jede*r vierte der Befragten im Alter zwischen 8 und 21 Jahren schon einmal Betroffene*r gewesen.

Am Anfang steht meist ein Konflikt

In Ermangelung einer Kultur zur Lösung von online entstandenen Konflikten, scheint für viele Jugendliche der einzig bekannte und gangbare Weg zur Rache der eigenen Verletzungen das (Zurück-)Mobben zu sein. Ein klärendes persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht liegt für Jugendliche oft nicht auf der Hand.

Dies sieht man, wenn beispielsweise zur Gefühlsregulation nach dem Verlassenwerden intime Fotos der oder des Ex gespickt mit verletzenden Ausdrücken veröffentlicht werden. Oft ist den Mitschüler*Innen oder anderen Beteiligten, die liken, teilen und kommentieren gar nicht klar, dass sie durch ihr verstärkendes Verhalten das Mobbing erst möglich machen.

Früher, im analogen Zeitalter, wurde ein peinliches Foto, das unter den Schulbänken die Runde machte, von der Lehrkraft einkassiert und die Sache war beendet. Heute lässt sich das Foto nicht einfach zurückhalten, denn es ist schneller als man schauen kann, auf zig Smartphones innerhalb der Klasse verteilt. Nicht immer ist den Jugendlichen bewusst, welche verletzenden Konsequenzen ihr Handeln für andere hat.

Hier kommt die Medienpädagogik mit ihrem Ziel der Förderung von Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien ins Spiel. Und zwar am besten präventiv und nicht erst wenn das Cybermobbing schon stattgefunden hat.

Tipps für Eltern – Wege aus der Hilflosigkeit

Bieten Sie sich als Gesprächspartner an, interessieren Sie sich für die Medienwelten Ihres Kindes und lehnen Sie diese nicht pauschal ab. Jugendliche fühlen sich sonst schnell in Ihrer Identität abgelehnt. Hier liegt die Basis, ob Ihr Kind sich Ihnen anvertraut, wenn es Probleme im „Social Web“ hat oder nicht. Es kann sonst sehr schwer sein, mitzubekommen, wenn Ihr Kind betroffen ist, denn Kinder haben Angst vor Vorwürfen, Ablehnung und Nichtverständnis der Eltern in Sachen Internetnutzung. Schulvermeidung, Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungsabfall, Kopf- und Magenschmerzen, Schlafstörungen und Lustlosigkeit, aber auch Alkoholkonsum können Anzeichen für Cybermobbing sein.

Nehmen Sie gemeinsam Datenschutz- und Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Netzwerken vor. Zeigen Sie Ihrem Kind die Melde- und Blockierfunktionen. Anleitungen hierzu finden Sie auf klicksafe.de. Denken Sie jedoch daran, dass man in WhatsApp-Gruppen nicht einzelne Nutzer*innen blockieren kann und dass Kinder und Jugendliche oft lieber in Gruppen bleiben, in denen sie gemobbt werden, als ganz ausgeschlossen zu sein.

Klären Sie Ihr Kind über Bild- und Persönlichkeitsrechte auf. Man muss fragen, bevor man Bilder, die andere gemacht haben (Urheberrecht) oder auf denen andere abgebildet sind (Recht am eigenen Bild) verschickt oder hochlädt. Anonyme Drohungen, Beleidigungen, Verleumdungen, Erpressung, Ausgrenzung und Identitätsdiebstahl sind Straftaten, die mit Geld- und Freiheitsstrafen geahndet werden können. Natürlich sind Jugendliche noch nicht voll strafmündig, jedoch interessiert es sie, diese Gesetze zu kennen. Da sich die meisten- auch Erwachsenen – im Internet anders verhalten, ist ihnen überhaupt nicht klar, was erlaubt ist und was nicht. Fragen Sie eigentlich Ihre Kinder bevor Sie Fotos, auf denen sie abgebildet sind, online stellen? Als Eltern sind Sie immer Vorbild!

Ermutigen Sie Ihr Kind außerdem von klein an, nicht einfach mitzumachen, wenn mehrere es auf einen einzelnen abgesehen haben. Empathie in der Online-Kommunikation zu entwickeln ist aufgrund der digitalen Distanz nicht selbstverständlich und Sie können Ihr Kind durch Gespräche dafür sensibilisieren. Leben Sie einen respektvollen Umgang miteinander vor – online sowie offline.

Auf Förderung der Medienkompetenz und auf Gespräche setzen

Fordern Sie außerdem von der Schule Ihres Kindes ein, Medienkompetenzförderung ernst zu nehmen sowie Kinder und Jugendliche von der Grundschule an über den sozialen Umgang im Internet, mit eigenen Fotos und Daten, sowie mit denen von anderen, zu sensibilisieren. Hierbei helfen Klassenregeln, die offline UND online gelten. Kreative Gemeinschaftsprojekte zum Thema, wie sie z.B. Blickwechsel e.V. durchführt, fördern das Problembewusstsein und den Zusammenhalt in Klassen.

Wenn Ihr Kind in Cybermobbing involviert ist, sei es als Täter*in, Mitläufer*in oder Betroffene*r, gilt es, die Sache so schnell wie möglich zu stoppen. Handeln Sie jedoch nicht über den Kopf Ihres betroffenen Kindes hinweg, denn dies kann eine weitere Verletzung darstellen, in der Ihr Kind sich nicht gesehen fühlt. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über das, was es erlebt, machen Sie keine Vorwürfe, falls Ihr Kind freizügige Fotos versendet hat, die nun in die Öffentlichkeit geraten sind. Es fühlt sich schon schlecht genug und schuld ist, wer unerlaubt Bilder veröffentlicht und nicht, wer naiv und verliebt ist. Denken Sie auch daran, dass Täter*innen oft selbst Betroffene waren, die auch mal die vermeintlich „starke“ Seite ausleben wollen und wenn sie dann merken, dass sich diese nicht so gut anfühlt, oft nicht wissen, wie sie aus der Rolle wieder rauskommen. Der „No-Blame“-Ansatz setzt übrigens auf Integration in die Gruppe statt auf Strafe.

Sprechen Sie mit den Eltern der involvierten Kinder und Jugendlichen, um das (Cyber-)Mobbing schnellstmöglich zu beenden und eine Wiedergutmachung, z.B. in Form einer Richtigstellung oder öffentlichen Bitte um Verzeihung, herbeizuführen. Gegebenenfalls schalten Sie die Schule ein oder bei schweren Straftatbeständen die Polizei. Sichern Sie vorab die Beweise.

 

Tipps für Kinder und Jugendliche: Das kannst Du tun, wenn einer Deiner Klassenkamerad*innen oder Freund*innen im Internet fertig gemacht wird

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Wenn Du mutig bist, dann sag den Täter*innen und Mitläufer*innen,
dass sie damit aufhören sollen.

Wenn Du Angst hast, selbst gemobbt zu werden, wenn Du Dich gegen die Täter*innen stellst, dann such Dir Verbündete. Irgendwer in Deiner Klasse ist sicherlich Deiner Meinung, dass das Mobbing nicht okay ist. Jede Gruppe ist dafür selbst verantwortlich, ob in ihr Cybermobbing geduldet wird oder nicht. Oft sind es ganz viele, die sich nicht trauen etwas zu tun. Gemeinsam seid Ihr mehr als die Mobber*innen und stark. Überlegt gemeinsam, was ihr tun könnt.

Sprich die betroffene Person persönlich an – also offline oder in einer persönlichen Nachricht – und biete ihr Deine Unterstützung an, zeige Verständnis, verbringe Zeit mit ihr. Damit machst Du einen riesigen Unterschied für Deine/n Mitschüler*in. Stell Dir vor, alle sind gegen Dich, aber eine/r stellt sich auf Deine Seite. Das ändert alles!

Unterstützungsmöglichkeiten sind außerdem, gemeinsam zu den Eltern oder Vertrauens- oder Klassenlehrer*innen zu gehen. Manchmal braucht es Erwachsene, um eingefahrene und verletzende Konflikte zu lösen.

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Über die Autorin:

Olivia Förster ist in Hamburg als freie Medienpädagogin unter anderem für Blickwechsel e.V. tätig. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen einerseits in der kreativen, medienpraktischen Arbeit, als auch in der präventiven Medienkompetenzförderung. Im Angebot sind Projekttage mit Kindern und Jugendlichen, sowie Elternabende und Fortbildungen für Lehrende, pädagogische Fachkräfte und Multiplikator*innen. 

In künstlerisch-kreativen Workshops begleitet sie Kinder, Jugendliche und Erwachsene in ihrem Schaffensprozess bei der Bearbeitung von Themen rund um digitale Lebenswelten, Träume und Identität. In ihrer Präventionsarbeit geht es darum, wie junge Kinder spielerisch an eine gesunde Mediennutzung herangeführt und dabei begleitet werden können. Andererseits gestaltet sie Workshops und Seminare rund um das Thema Social Media mit besonderem Blick auf Nutzungsverhalten und Faszination von Snapchat und Co., Aspekte des Cybermobbings, Big Data und auf Strategien der selbstbestimmten und bewussten Nutzung von mobilen Medien.

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